Heimlich, still und leise hat das neue Wort »Standart« Einzug gehalten in die deutsche Rechtschreibung. Eine kurze Recherche mit Google belegt seine Verbreitung im WWW und im Usenet.
Dieses Ergebnis sollte auch die größten Skeptiker, Sprachpuristen und Oberlehrer eines Besseren belehren. »Standart« existiert und ist korrektes Deutsch, denn so viele Quellen können einfach nicht irren!
Stand|art [ʃt…, auch st…], die (!); -, -en <engl.>; zusammengesetztes Substantiv (Kompositum)
Arten von Ständen
Obststand Handstand Verstand»Stand-Kunst« - »Stehkunst«
Messestand Die Kunst des Stehens Das Stehen in der Kunst»Standart« entwickelt sich langsam zu einem echten Industriestandard. Aus der Fülle der innovativen Spracherneuerer sei beispielhaft die Firma Hilti erwähnt. Der Screenshot von hilti.de (94 KB - Google-Cache mit dem Stand vom 22.12.2004) dokumentiert die sprachliche Innovationskraft dieses Unternehmens nachdrücklich. Offensichtlich hat in der Zwischenzeit aber die deutsche Hilti-Niederlassung der Mut zu Reformen (aus Angst vor dem Unverständnis reaktionärer Germanisten?) verlassen, und so findet sich auf der aktuellen Seite am 29.12.2004 wieder die überholte Schreibweise »Standard«. Hingegen hat Hilti Austria interessanterweise deutlich länger, und zwar bis zum Mai 2005, an der vertrauten »Standart«-Version festgehalten (Screenshot von hilti.at - 71 KB). Ob dies einer größeren Resistenz der österreichischen Kollegen gegenüber sprachlichen Besserwissern oder lediglich einer allgemeinen Langsamkeit im Denken und Handeln geschuldet ist, muß allerdings offenbleiben.
Als erstaunlich visionär erweist sich auch die Firma Cisco Systems im sprachlichen Bereich. Auf ihrer bereits 2001 erstellten Helpdesk-Seite kann sich der Besucher gleich mehrfach davon überzeugen, daß Industriestandarts überraschend langlebig sein können.
Wer als Webdesigner auf sich hält, erstellt seine Seiten natürlich längst in XHTML und kann somit stolz darauf sein, auf diese Weise schon heute den zukünftigen Webstandart umzusetzen. Und für creative Webdesigner ist es schließlich auch kein Problem, aus einem langweiligen Standartdesign einen erfolgreichen Designstandart zu schaffen - insbesondere dann, wenn die Umsetzung auch standartkonform erfolgt.
»Lasst euch nicht verarschen. Ich bin doch nicht blöd!« [© T. Kissing]
Auch im Alltagsleben begegnen uns Standarts auf Schritt und Tritt. Und das Bemühen eines großen Elektrodiscounters, seine eigenen Werbeslogans ernst zu nehmen, ist aller Ehren wert! Wer sich so nachhaltig um eine korrekte Rechtschreibung bemüht, dem kann man auch in Sachen Qualität bedingungslos vertrauen.
Ebenfalls kompromißloses Streben nach Qualität und Sprachkompetenz demonstriert ein deutsches Unternehmen für Sprachreisen. Der Kunde kann sich auf dessen Webseite gleich an Ort und Stelle davon überzeugen, daß offensichtlich ein sehr hoher Qualitätsstandart des Angebotes angestrebt wird (Screenshot - 64 KB).
Bildung tut not. Offensichtlich nicht nur im PISA-erschütterten Deutschland, sondern auch bei unseren eidgenössischen Nachbarn. Und so hat der Kanton Zürich am 19. November 2003 im Rahmen seiner Bildungsoffensive den »Tag der Bildung« ausgerufen. Besonders bemerkenswert ist die auf der Webseite zitierte Aussage des Unterzeichners Heinz Spoerli, die in doppelter Weise demonstriert, wie nötig ein permanenter »Tag der Bildung« wäre.
Bastian Sick, "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod", 4. Aufl., S. 214, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004
Glücklicherweise hat sich in Deutschland jedoch mit Bastian Sick ein engagierter Streiter wider die falsche Rechtschreibung gefunden. Nimmermüde kämpft der Autor des Bestsellers "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" gegen unausrottbare Fehler im Umgang mit der deutschen Sprache an. Einen jedoch hat er dabei ganz offensichtlich übersehen. Merke: Wer im Glashaus sitzt, sollte sich ein besseres Lektorat leisten.
Eine Sammlung weiterer standartkonform ausgeführter Seiten kann auf den folgenden Screenshot-Galerien, aufgeteilt in allgemeine Standarts sowie Bildungs- und akademische Standarts besichtigt werden. Besonderes Interesse beansprucht die - noch im Aufbau befindliche - Zusammenstellung von Variationen zum Thema Stillstand statt Bewegung.
Der aktuelle Status der Standartisierung des deutschsprachigen Internets läßt sich an der folgenden Tabelle ablesen. Besonders erwähnenswert sind hierbei die Seiten von gulli.com, auf denen die Schreibweise »Standard« mittlerweile seltener anzutreffen ist als die Variante »Standart«. Eine Beobachtung, die in Anbetracht der dort hauptsächlich anzutreffenden jüngeren Generation eine düstere Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung unserer Rechtschreibung erlaubt. Allenfalls das mancherorts zart aufkeimende Problembewußtsein einzelner Forenteilnehmer könnte, sofern es Nachahmer findet, Anlaß zu vorsichtiger Hoffnung geben.
»Standart« auf de-Domains | |||||
---|---|---|---|---|---|
Site | Anzahl Seiten | Fundstellen | Anteil »Standart« bezogen auf | ||
»Standart« | »Standard« | Seitenzahl | Standar[t|d] | ||
Stand der Daten: 07.05.2006 | |||||
Recherche über google.de (216.239.59.104) mit der Einstellung "Seiten auf Deutsch" | |||||
[pro 1.000] | [Prozent] | ||||
gulli.com | 274.000 | 1.470 | 938 | 5,36 | 61,05 |
parsimony.net | 1.630.000 | 444 | 933 | 0,27 | 32,24 |
rtl.de | 792.000 | 71 | 635 | 0,09 | 10,06 |
prosieben.de | 679.000 | 68 | 688 | 0,10 | 8,99 |
ebay.de | 52.000.000 | 139.000 | 2.230.000 | 2,67 | 5,87 |
beepworld.de | 1.220.000 | 830 | 13.800 | 0,68 | 5,67 |
spiegel.de | 3.050.000 | 34 | 872 | 0,01 | 3,75 |
amazon.de | 49.500.000 | 17.300 | 618.000 | 0,35 | 2,72 |
ard.de | 1.020.000 | 3 | 972 | 0,00 | 0,31 |
heise.de | 7.700.000 | 436 | 519.000 | 0,06 | 0,08 |
zeit.de | 5.000.000 | 13 | 30.200 | 0,00 | 0,04 |
faz.net | 2.940.000 | 26 | 241.000 | 0,01 | 0,01 |
*.* | 2.250.000.000 | 2.910.000 | 75.900.000 | 1,41 | 4,27 |
*.ch | 158.000.000 | 215.000 | 3.800.000 | 1,36 | 5,35 |
*.de | 1.460.000.000 | 2.060.000 | 48.200.000 | 1,41 | 4,10 |
*.at | 147.000.000 | 115.000 | 5.130.000 | 0,78 | 2,19 |
Auch die Suchmaschinennutzer haben sich dieser Entwicklung mittlerweile (zwangsweise?) angepaßt. In etwa 20 % aller Fälle wird auf google.de nämlich nach Standart anstatt nach Standard gesucht.
URL: http://www.k-faktor.com/standart/ | Letzte Änderung: 31.12.2006
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