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Standart

Plädoyer wider die Besserwisser

Heimlich, still und leise hat das neue Wort »Standart« Einzug gehalten in die deutsche Rechtschreibung. Eine kurze Recherche mit Google belegt seine Verbreitung im WWW und im Usenet.

Dieses Ergebnis sollte auch die größten Skeptiker, Sprachpuristen und Oberlehrer eines Besseren belehren. »Standart« existiert und ist korrektes Deutsch, denn so viele Quellen können einfach nicht irren!

Stand|art [ʃt…, auch st…], die (!); -, -en <engl.>; zusammengesetztes Substantiv (Kompositum)

  1. die Art eines Verkaufsstandes (Obststand, Gemüsestand, Käsestand, …)
  2. die Art und Weise zu stehen (Handstand, Kopfstand, Schiefstand, …)
  3. die Beschreibung einer (Geistes-)Haltung (Verstand, Anstand, Widerstand, …)
  4. die Kennzeichnung ständiger Gegensatzpaare (Aufstand <-> Zustand, Rückstand <-> Vorstand, Ausstand <-> Einstand, …)
  5. falsche auch ugs. verkürzte Form (südd., österr.) von »Standarte« (Feldzeichen, Fahne)
  6. Wortneubildung aus engl. »Stand« (Stand, stehen) und engl. »Art« (Kunst);
    cave: abweichende Aussprache! Stand-Art
    1. kunstvoll (auch künstlerisch) gestalteter Verkaufsstand oder Messestand
    2. »Steh-Kunst« (künstlerische Ausdrucksform)

Arten von Ständen

Foto: Obststand Obststand Foto: Handstand Handstand Foto: Schachspieler Verstand
 

»Stand-Kunst« - »Stehkunst«

Foto: Messestand Messestand Foto: einbeiniges Stehen Die Kunst des Stehens Foto: Bein-Skulptur Das Stehen in der Kunst
 

Industrie-Standart

»Standart« entwickelt sich langsam zu einem echten Industriestandard. Aus der Fülle der innovativen Spracherneuerer sei beispielhaft die Firma Hilti erwähnt. Der Screenshot von hilti.de (94 KB - Google-Cache mit dem Stand vom 22.12.2004) dokumentiert die sprachliche Innovationskraft dieses Unternehmens nachdrücklich. Offensichtlich hat in der Zwischenzeit aber die deutsche Hilti-Niederlassung der Mut zu Reformen (aus Angst vor dem Unverständnis reaktionärer Germanisten?) verlassen, und so findet sich auf der aktuellen Seite am 29.12.2004 wieder die überholte Schreibweise »Standard«. Hingegen hat Hilti Austria interessanterweise deutlich länger, und zwar bis zum Mai 2005, an der vertrauten »Standart«-Version festgehalten (Screenshot von hilti.at - 71 KB). Ob dies einer größeren Resistenz der österreichischen Kollegen gegenüber sprachlichen Besserwissern oder lediglich einer allgemeinen Langsamkeit im Denken und Handeln geschuldet ist, muß allerdings offenbleiben.

Als erstaunlich visionär erweist sich auch die Firma Cisco Systems im sprachlichen Bereich. Auf ihrer bereits 2001 erstellten Helpdesk-Seite kann sich der Besucher gleich mehrfach davon überzeugen, daß Industriestandarts überraschend langlebig sein können.

Web-Standart

Wer als Webdesigner auf sich hält, erstellt seine Seiten natürlich längst in XHTML und kann somit stolz darauf sein, auf diese Weise schon heute den zukünftigen Webstandart umzusetzen. Und für creative Webdesigner ist es schließlich auch kein Problem, aus einem langweiligen Standartdesign einen erfolgreichen Designstandart zu schaffen - insbesondere dann, wenn die Umsetzung auch standartkonform erfolgt.

Qualitäts-Standart

Foto: Preisschild im Media-Markt

»Lasst euch nicht verarschen. Ich bin doch nicht blöd!« T. Kissing]

Auch im Alltagsleben begegnen uns Standarts auf Schritt und Tritt. Und das Bemühen eines großen Elektrodiscounters, seine eigenen Werbeslogans ernst zu nehmen, ist aller Ehren wert! Wer sich so nachhaltig um eine korrekte Rechtschreibung bemüht, dem kann man auch in Sachen Qualität bedingungslos vertrauen.

Ebenfalls kompromißloses Streben nach Qualität und Sprachkompetenz demonstriert ein deutsches Unternehmen für Sprachreisen. Der Kunde kann sich auf dessen Webseite gleich an Ort und Stelle davon überzeugen, daß offensichtlich ein sehr hoher Qualitätsstandart des Angebotes angestrebt wird (Screenshot - 64 KB).

Bildungs-Standart

Bildung tut not. Offensichtlich nicht nur im PISA-erschütterten Deutschland, sondern auch bei unseren eidgenössischen Nachbarn. Und so hat der Kanton Zürich am 19. November 2003 im Rahmen seiner Bildungsoffensive den »Tag der Bildung« ausgerufen. Besonders bemerkenswert ist die auf der Webseite zitierte Aussage des Unterzeichners Heinz Spoerli, die in doppelter Weise demonstriert, wie nötig ein permanenter »Tag der Bildung« wäre.

Scan: Buchseite

Bastian Sick, "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod", 4. Aufl., S. 214, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004

Glücklicherweise hat sich in Deutschland jedoch mit Bastian Sick ein engagierter Streiter wider die falsche Rechtschreibung gefunden. Nimmermüde kämpft der Autor des Bestsellers "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" gegen unausrottbare Fehler im Umgang mit der deutschen Sprache an. Einen jedoch hat er dabei ganz offensichtlich übersehen. Merke: Wer im Glashaus sitzt, sollte sich ein besseres Lektorat leisten.

Standart-Seiten

Eine Sammlung weiterer standartkonform ausgeführter Seiten kann auf den folgenden Screenshot-Galerien, aufgeteilt in allgemeine Standarts sowie Bildungs- und akademische Standarts besichtigt werden. Besonderes Interesse beansprucht die - noch im Aufbau befindliche - Zusammenstellung von Variationen zum Thema Stillstand statt Bewegung.

Standartisierung

Der aktuelle Status der Standartisierung des deutschsprachigen Internets läßt sich an der folgenden Tabelle ablesen. Besonders erwähnenswert sind hierbei die Seiten von gulli.com, auf denen die Schreibweise »Standard« mittlerweile seltener anzutreffen ist als die Variante »Standart«. Eine Beobachtung, die in Anbetracht der dort hauptsächlich anzutreffenden jüngeren Generation eine düstere Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung unserer Rechtschreibung erlaubt. Allenfalls das mancherorts zart aufkeimende Problembewußtsein einzelner Forenteilnehmer könnte, sofern es Nachahmer findet, Anlaß zu vorsichtiger Hoffnung geben.

»Standart« auf de-Domains
Site Anzahl Seiten Fundstellen Anteil »Standart« bezogen auf
»Standart«»Standard« SeitenzahlStandar[t|d]
Stand der Daten: 07.05.2006
Recherche über google.de (216.239.59.104) mit der Einstellung "Seiten auf Deutsch"
[pro 1.000][Prozent]
gulli.com274.0001.4709385,3661,05
parsimony.net1.630.0004449330,2732,24
rtl.de792.000716350,0910,06
prosieben.de679.000686880,108,99
ebay.de52.000.000139.0002.230.0002,675,87
beepworld.de1.220.00083013.8000,685,67
spiegel.de3.050.000348720,013,75
amazon.de49.500.00017.300618.0000,352,72
ard.de1.020.00039720,000,31
heise.de7.700.000436519.0000,060,08
zeit.de5.000.0001330.2000,000,04
faz.net2.940.00026241.0000,010,01
*.*2.250.000.0002.910.00075.900.0001,414,27
*.ch158.000.000215.0003.800.0001,365,35
*.de1.460.000.0002.060.00048.200.0001,414,10
*.at147.000.000115.0005.130.0000,782,19

Auch die Suchmaschinennutzer haben sich dieser Entwicklung mittlerweile (zwangsweise?) angepaßt. In etwa 20 % aller Fälle wird auf google.de nämlich nach Standart anstatt nach Standard gesucht.

Google Trends: Suchhäufigkeit Standart vs. Standard

Interessante weiterführende Links:

Institut für deutsche Sprache (IDS)
Das Institut bietet auf seiner Homepage unter anderem eine ausgezeichnete Linksammlung mit Informationen zur deutschen Sprache sowie die Amtliche Regelung zur Deutschen Rechtschreibung.
Der Apostroph in der deutschen Gegenwartssprache (pdf-Datei, 144 KB)
Wissenschaftlicher Aufsatz von Wolf Peter Klein, der den Gebrauch des Apostrophs im Deutschen unter phonographischen, logographischen und normativen Aspekten analysiert.
Macht Sinnmachen Sinn?
Heiko Stahl hinterfragt auf amüsante Weise die Sinnhaftigkeit der Phrase "Sinn machen".

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URL: http://www.k-faktor.com/standart/ | Letzte Änderung: 31.12.2006

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